Workshop-Kurzbeschreibung
In der Allgemeinheit ist der Begriff “Vorurteil” wenig brauchbar. Deshalb hat die Vorurteilsforschung, im Wesentlichen die Psychologie, die Sozialpsychologie und die Soziologie, ihn stärker eingegrenzt und von anderen Urteilen und
Einstellungen abgehoben. Der Vorurteilsbegriff ist wesentlich durch seinen normativen, moralischen Gehalt bestimmt. Demnach unterscheiden sich Vorurteile von anderen Einstellungen nicht durch spezifische innere Qualitäten, sondern durch ihre soziale Unerwünschtheit. Als Vorurteile erscheinen also nur soziale Urteile, die gegen anerkannte menschliche Wertvorstellungen verstoßen, nämlich gegen die Normen. Die Definition, die diese Aspekte der “sozialen Unerwünschtheit” einbezieht, schränkt den Vorurteilsbegriff in doppelter Weise ein: Er steht nur für negative Einstellungen und ist nur auf Einstellungen zu Menschen, genauer Menschengruppen, bezogen. Vorurteile sind demnach stabile negative Einstellungen gegenüber einer anderen Gruppe bzw. einem Individuum, weil es zu dieser Gruppe gerechnet wird.
Vorurteilsbehaftete und stereotypisierende Wahrnehmung und Beurteilung von Merkmalen, Eigenschaften und Attributen von Personen und Gruppen sind im Alltagsleben unvermeidbar, da sie der schnellen, sicheren und verlässlichen Orientierung, sozialen Positionierung, Förderung und Stärkung eines positiven Selbstbildes dienen.
Besonders in interkulturellen Begegnungen zwischen Personen und Gruppen wirken Vorurteile und Stereotype. Sie steuern die Wahrnehmung, die Urteilsbildung, die Emotionen und das soziale Verhalten. Denken Sie an die Einwanderungspolitik der Bundesregierung im Jahre 2015, in Verbindung mit den Silvesterübergriffen am Kölner Hauptbahnhof des selben Jahres, und der damit ausgelösten Meinungsbildung in Deutschland. Aber vielleicht haben Sie auch schon folgende Vorurteile gehört: “Schwaben sind geizig und Berliner unhöflich. Das weiß doch jedes Kind.” Genauso stimmt natürlich, dass Frauen zu viel reden und Männer lieber schweigen, weil sie sich nicht über ihre Gefühle äußern möchten. Araber haben ja grundsätzlich ein Problem mit Frauen. Apropos Frauen, die können weder Autofahren noch Einparken. Schon mal gehört?
Wie kommt es zu diesen Vorurteilen?
Wir kategorisieren ganz automatisch und teilen die Welt in Gruppen ein. Jedem Menschen wird dabei eine eigene Schublade zugewiesen. Der eine hat schwarze Augen, ein anderer große Ohren. Und schon werden aus den Eigenschaften einprägsame Stereotype, die vereinfacht Personen oder eine Gruppe charakterisieren. Das alles geschieht rasend schnell, in Bruchteilen einer Sekunde, und in einer Art Autopilotverfahren. Und natürlich ist das keineswegs sinnlos: Die Schubladen helfen uns, die Welt zu ordnen und die Übersicht zu behalten.
Kurzer Exkurs zu Stereotypen:
Nehmen wir mal an, wir wären in Botswana, im Haus einer Familie vom Volk der Khoi. Im Kinderzimmer liegen Kleider und Spielzeug auf dem Boden, und die Mutter schimpft mit den Kindern: „Jetzt räumt endlich mal auf, hier sieht’s ja aus wie bei den Deutschen!“
Blödes Gefühl? Beleidigt? Sich ungerecht behandelt gefühlt? Ja, und das mit Recht. Natürlich ist das unfair. Deutsche sind ja ordentlich! Andere Leute hingegen sind unordentlicher als wir, so etwa die Khoi – vielleicht kennen Sie dieses Volk unter anderem Namen, aber mit der gleichen Redensart: „Hier sieht’s ja aus wie bei den Hottentotten!“ Hat Ihre Mutter bestimmt auch früher gesagt. Oder vielleicht auch: „Die hausen wie die Hunnen.“ Eine Redensart, die die Hunnen – wenn es sie noch gäbe – so eher nicht stehen lassen würden.
So erlernt man Stereotype – nämlich, ohne dass man es merkt. Stereotype ordnen bestimmten Gruppen – in der Regel negative – Eigenschaften zu: z. B. Völkern, Hautfarben, Geschlechtern. Diese Stereotype hört man von frühester Kindheit an, und sie werden dadurch ganz selbstverständlich akzeptiert.
Zum Beispiel haben die meisten kleinen Jungen – wenn sie aus irgendeinem Grund in Tränen ausbrachen – wahlweise gesagt bekommen:
„Heul nicht wie ein Mädchen“ oder „Indianer weinen nicht“.
Damit werden einem kleinen (hellhäutigen deutschen) Jungen gleich zwei Stereotype vermittelt:
a) Mädchen sind wehleidig, und
b) Indianer ertragen Schmerzen, ohne zu klagen.
Schlaue kleine Jungs stellen sich dann die Frage, was indianische Mädchen eigentlich machen
– heulen wie Mädchen, oder nicht heulen wie Indianer…?
Diese Stereotype ordnen unser Leben, ohne dass wir es merken. Sie bestimmen unser Bild über Männer und Frauen, Schwarze und Weiße, Heterosexuelle und Homosexuelle und so weiter.
Eine Gefahr von Vorurteilen:
Sie bilden sich keine eigene Meinung. Ihr Denken und somit auch Ihr Handeln sind nur von dem gesteuert, was Sie glauben zu wissen. Eigene Erfahrungen machen Sie keine, stattdessen verfallen Sie nur in die Rechtfertigungen und Argumente, die andere Ihnen eingeredet haben. Das macht Sie in einem hohen Maße manipulierbar, da Sie unreflektiert übernehmen, was andere Ihnen an Vorurteilen vorsetzen.
Des Weiteren verändern Vorurteile sogar das Verhalten der Menschen, gegen die sie gerichtet sind. Durch unsere ständigen Vorurteile zwingen wir Menschen zu dem zu werden, was wir in ihnen sehen wollen. Dies wird auch als Prokrustesbett bezeichnet – eine Form, in die etwas hineingezwängt wird, obwohl es eigentlich nicht passt.
Hinzu kommt, dass diejenigen, gegen die Vorurteile bestehen, kaum eine faire Chance bekommen. Betroffene werden von Anfang an in eine Schublade gesteckt, aus der sie sich nicht befreien können. Sie bekommen erst gar nicht die Gelegenheit, einen anderen Eindruck zu erwecken. Wer immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert wird und nie die Chance bekommt, sich selbst so zu zeigen, wie er wirklich ist, reagiert mit Frust und Abwehr. Es ist anstrengend, gegen Vorurteile ankämpfen zu müssen.
LESSONS LEARNED:
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